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Die Brille wegtrainieren, von Dino Warner, Ausgabe 2000

Nachträge zu anderen Kapiteln als dem Trainingstagebuch


1) Laser-Operation der Hornhaut
Durch solche Operationen kann neuerdings eine höhere Sehleistung als durch eine normale Brille erreicht werden. Das hängt mit der computergesteuerten, exakten Anpassung an das jeweilige Auge zusammen. Die Hornhaut ist bei praktisch niemanden wirklich gleichmässig, sondern an jeder Stelle etwas anders und deshalb müsste auch für jede Stelle eine andere Korrektur erfolgen. Brillengläser sind jedoch gleichmäßig, also z.B. für eine Stelle der Hornhaut "zu schwach" und für eine andere Stelle direkt daneben schon wieder "zu stark". Bei einer computergesteuerten Laserkorrektur der Hornhaut kann die Korrektur dagegen besser an den Bedarf jeder einzelnen Stellen angepasst werden, so dass eine bessere Sehleistung möglich ist.
An den Problemen und Bedenken zur Langzeitwirkung einer Laserkorrektur ändert dies jedoch leider nichts.


2) Verstellung der Linse durch die Ziliarmuskeln
Durch Anspannen oder Entspannen der Ziliarmuskeln kann die Wölbung der Linse und damit die Lichtbrechung innerhalb gewisser Grenzen verändert werden. Entsprechende Übungen gehören zum Sehtraining.
Von Gegnern des Sehtrainings wird nun gerne vorgebracht, damit könnte allerhöchstens eine Verstellung der Linse in die eine Richtung (Anspannung) bewirkt werden. In die andere Richtung (Entspannung) dagegen sei die Verstellmöglichkeit auf diese Art sehr begrenzt, denn mehr als "völlig entspannen" kann man die Muskeln ja nicht. Gerade Kurzsichtige könnten deshalb auf diese Weise kaum auf Besserung hoffen.
Dabei wird aber übersehen, dass viele Sehprobleme ganz offensichtlich mit nervösen (Dauer)Verspannungen von Ziliarmuskeln und Linse zusammenhängen. Folgt man diesen Ansichten, dann liegt der Nutzen von Übungen zum Entspannen/Lockern/Stärken dieser Muskeln auf der Hand.
Abgesehen davon ist ja noch völlig unklar, ob die Erfolge des Sehtrainings auf Verstellung der Linse, auf Verstellung der Augenlänge, auf Verstellung der Hornhaut oder auf irgendeinen anderen möglicherweise noch unbekannte Effekt beruhen. Der Ansatz, nur Dinge zu akzeptieren, die man erklären kann, ist auch heute noch nicht durchzuhalten. Bei z.B. den meisten Medikamenten konnte man bei ihrer Einführung nicht erklären, wie und warum sie wirkten. Bei vielen kann man es heute noch nicht.


3) Rasterbrillen, Lochbrillen
Mit diesen für Sehtraining angebotenen Spezialbrillen habe ich kaum Erfahrung und äußere mich im Buch dazu eher skeptisch ("Ich will lernen, ganz ohne Brille zu sehen und nicht nur die eine Art von Brille gegen eine andere eintauschen").
Inzwischen habe ich aber von zufriedenen Anwendern gehört, dass solche Brillen das Auge zu ständigen kleinen Bewegungen zwingen ("von Loch zu Loch wandern") und dadurch dem Starren entgegenwirken (z.B. bei Bildschirmarbeit) und danach sogar eine Art Muskelkater auftreten kann. Insofern könnten eine begrenzte Nutzung von Rasterbrillen durchaus nützlich sein, um das "bewegte Sehen" zu üben.
Auch wird argumentiert, dass durch die erhöhte Tiefenschärfe die Gefahr von Verspannungen beim Scharfstellen vermindert wird.
Ebenso wird berichtet, dass schon kurzes Tragen einer Rasterbrille die Augen entspannt und dieser Effekt danach noch recht lange anhält.
Trotz allem sollte man keine Wunder durch Benutzung solcher Mittel erwarten. Trainieren muss man ganz allein, und zwar lange und hart, und es gibt offenbar kein Wundermittel, das einem diese Mühen abnimmt.


4) Rückenübungen
Hier eine weitere, sehr wirksame Rückenübung: Legen Sie sich mit an den Rumpf angelegten Armen gestreckt seitlich auf den Boden. Stützen Sie sich dann auf den unten liegenden Ellenbogen ab, so dass Ihr Unterkörper von den Füßen bis zur Hüfte weiterhin gestreckt seitlich auf dem Boden aufliegt, während der Oberkörper nun von der Hüfte bis zum Kopf schräg vom Boden abhebt.
Jetzt beginnt die eigentliche Übung: Heben Sie Ihr Mittelteil an, so dass der Körper nur noch auf dem unten liegenden Fuß und dem Ellenbogen ruht und von den Füßen bis zum Kopf schräg vom Boden abhebt. Lassen Sie Ihr Mittelteil wieder langsam runter - möglichst aber nicht auf den Boden auflegen - heben Sie es wieder an, verharren Sie ab und zu auch mal für einen Augenblick in einer Zwischenposition, usw., bis Ihre Kraft nicht mehr ausreicht. Nach einer kurzen Pause kommt dann die andere Seite dran.

Und hier noch eine eher leichte Rückenübung, die sich besonders für den Anfang eignet: Als Grundstellung gehen Sie in eine hundeähnliche Position auf den Boden, wobei Sie sich mit den Knien (eventuell Kissen darunter) und den Händen (Arme gestreckt) abstützen. Rücken gerade halten (kein Hohlkreuz) und dann rechten Arm und linkes Bein bis maximal in die Horizontale heben. Möglichst einige Sekunden oben lassen oder gar mehrfach leicht senken und wieder anheben, und dann wechseln zum linken Arm und rechten Bein.


5) Beeinflussung des Augenlängenwachstums bei Kindern
Als Hauptursache von Kurzsichtigkeit gelten bekanntlich zu lange Augäpfel. Forschungsergebnisse aus den letzten Jahren deuten immer stärker darauf hin, dass die Länge der Augen aber nicht allein unabänderlich genetisch bedingt ist. Sondern es gibt offenbar einen Regelmechanismus, der während des kindlichen Wachstums bis etwa zum 15. Lebensjahr das Augenlängenwachstum für gutes Scharfsehen passend steuern kann. Zu starkes Längenwachstum scheint dann aufzutreten, wenn dieser Regelmechanismus beim Kind durch falsche Sehgewohnheiten, zu frühe und/oder zu starke Brille etc. gestört wird. Kinder sollten möglichst eine leicht unterkorrigierende Brille tragen (bei leichter Fehlsichtigkeit entsprechend gar keine Brille), aber auf "Gewaltmethoden" wie eine Gegenbrille sollte man besser verzichten, weil das für die Wachstumssteuerung des Augapfels irritierende Signale geben könnte.
Daraus folgt, dass richtige Sehgewohnheiten und Sehtraining gerade bei Kindern besonders wichtig sind. Denn damit lässt sich vermutlich falsches Augenlängenwachstum zumindest vermindern. Entsprechend braucht sich der Erwachsene später dann nicht so anstrengen, um das Handikap nicht ganz passender Augenlänge durch erhöhte Verstellbarkeit der Augen auszugleichen.


6) Innere Längenverstellbarkeit des Auges
In der Literatur fand ich einen Hinweis, dass es auch einen kleinen Spielraum für eine innere Längenverstellung des Auges gibt.
Und zwar gibt es ganz hinten im Auge, hinter der Netzhaut, ein stark durchblutetes Gewebe ("Aderhaut") das offenbar je nach Bedarf gesteuert an- oder abschwellen kann. Dadurch wird der für die Schärfe maßgebliche Abstand zwischen Linse und Netzhaut verändert. Beim Menschen sollen sich dadurch bis etwa 1,5 Dioptrien zusätzlicher Verstellbereich erreichen lassen.


7) Kontaktlinsen
Im Laufe meines Sehtrainings hat sich bei mir immer mehr der Eindruck verstärkt, dass die Hornhaut nicht auf ewig unveränderbar ist, sondern dass allmähliche Änderungen oder gar gezielte Verstellungen der Hornhaut möglich sind und damit natürlich auch einen großen Einfluss auf die Sehleistung haben.
Dazu habe ich nun gehört, dass bei den früher üblichen Hartlinsen das Fortschreiten von Kurzsichtigkeit offenbar langsamer als bei den heute üblichen Weichlinsen erfolgt. Vermutliche Ursache ist, dass diese Hartlinsen die Hornhaut etwas mehr in die richtige Form zwingen und z.B. unerwünschtes Quellen oder Verbiegen der Hornhaut besser verhindern als Weichlinsen. So richtig harte ("formstabile") Linsen gibt es heute allerdings kaum noch. Zudem sind Hartlinsen teurer und müssen exakt angepasst werden.
Heute werden überwiegend weiche Wegwerflinsen benutzt. Bei Bestellung im Versandhandel (sollte erfahrenen Anwendern vorbehalten bleiben; Anfänger sollten nicht auf die Beratung eines Fachmanns verzichten) sind sie relativ preiswert, und man kann sich die Stärke ganz nach eigener Meinung und ohne ärgerliche Diskussionen mit Augenarzt oder Optiker bestellen. Auch diese weichen Linsen bringen meist noch eine höhere Sehschärfe als Brillen.
Wenn schon Linsen wären also Hartlinsen die bessere Wahl, insbesondere bei Jugendlichen. Trotzdem bleibt beim Linsentragen natürlich das Problem, dass man sie dann meist den ganzen Tag trägt und seinen Augen keine "Brillenpause" gönnen kann. Einen kleinen Ausweg gibt es aber: Eine billige Gegenbrille für Übungen zwischendurch. Wer Linsen mit -3 Dioptrien trägt, braucht nur eine Brille mit +3 aufsetzen und erreicht damit etwa den Zustand wie ganz ohne Linsen bzw. Brille.


8) Training ohne sofortigen Verzicht auf die Brille
Ich habe bei meinem Training von Anfang an so weit wie möglich vollkommen auf eine Brille verzichtet und nur noch bei solchen Arbeiten eine (meist schwächere) Brille benutzt, bei denen sie wirklich unverzichtbar war. Bei dieser Trainingsmethode erlebt man recht bald jene berühmten kurzen Augenblicke scharfen Sehens, die kein Fachmann erklären kann, die aber soviel Mut machen ("das ist der Beweis, dass meine Augen im Prinzip in Ordnung sind"). Leider führt diese Methode aber auch oft wegen Erschöpfung zu starken Schwankungen der Sehleistung und manchmal zu regelrechten Zusammenbrüchen. Dies wiederum ist nervlich schwer zu ertragen und oft regelrecht entmutigend.

Ich habe nun von mehreren erfolgreichen Trainierenden gehört, die anfangs kaum oder gar nicht versucht haben, ganz ohne Brille auszukommen. Stattdessen haben sie fast ständig eine etwas schwächere Brille getragen (gerade ausreichend, um damit noch ernsthaft arbeiten zu können). Mit dieser Brille haben sie auch alle die bereits bekannten Übungen gemacht, und nach ein paar Monaten hatte sich ihre Sehleistung dann so verbessert, dass sie zu einer wiederum geringfügig schwächeren Brille übergehen konnten.
Diese Trainingsmethode ist weniger spektakulär, denn sie bringt weder jene erstaunlichen Scharfsehphasen ohne Brille, noch jene starken Schwankungen oder extremen Leistungseinbrüche. Dafür lässt sie sich leichter mit vielen Berufstätigkeiten vereinbaren. Aber braucht man etwas mehr Disziplin, um das Training durchzuhalten. Denn da man ja fast immer eine Brille trägt (wenn auch eine etwas schwächere) ist man immer in Versuchung, die neuen Sehgewohnheiten und das Training zu vernachlässigen, weil man ja auch ohne noch einigermaßen zurecht kommt.

Etwas problematisch ist die Entscheidung, wie weit man jeweils mit der Brillenstärke zurück gehen soll, und wie man vorgehen muss, wenn man z.B. gleichzeitig an Kurzsichtigkeit und Astigmatismus leidet. Nach meinen in etwas anderen Zusammenhang gemachten Erfahrungen sollte man bei der Korrektur der Kurzsichtigkeit eher kleine Schritte machen und lieber zuerst stärker bei der Korrektur des Astigmatismus zurück gehen. Derart viele "Zwischenbrillen" können natürlich ins Geld gehen. Hier sind Träger von z.B. Monatskontaktlinsen im Vorteil, weil die dann einfach ohne Mehrkosten zu einer geringeren Stärke übergehen können.


9) Training mit Gegenbrillen
Ich bin ja leider erst sehr spät auf das Training mit Gegenbrillen gestoßen und habe dann aber schnell Erfolge beobachtet. Sehr schnell habe ich den Ehrgeiz entwickelt, immer stärkere Gegenbrillen zu benutzen (bis +12 Dioptrien) und konnte auch gute Trainingserfolge feststellen.
Nunmehr muss ich aber ergänzen, dass auch das Training mit schwachen Gegenbrillen sehr nützlich zu sein scheint. Der große Vorteil dabei ist, dass man mit einer nur schwachen Gegenbrille so etwa im Bereich 0,5 - 2,5 Dioptrien viel länger durchhält und sie auch schon bald bei einfachen Alltagsarbeiten, Zeitungslesen, TV-Schauen usw. einsetzen kann. Man kann so ganz nebenbei täglich eine oder gar mehrere Stunden trainieren, und das wirkt dann im Ergebnis mindestens ebenso gut, wie einige Minuten intensives Training mit einer ganz starken Gegenbrille. Man sollte versuchen, beide Methoden zu praktizieren.

Hinweis eines Lesers: Beachten Sie bitte, dass eine +Gegenbrille bei ganz geringem Abstand zum Beobachtungsobjekt wie eine Lupe wirkt und deshalb keinen Trainingseffekt bewirkt. Sie müssen den Abstand immer so weit wählen, dass Sie gegen eine Unschärfe ankämpfen.


10) Zunehmende Probleme beim Sehen mit Korrekturbrille
Zu Anfang meines Sehtrainings hatte ich als logisch erwartet, dass mit fortschreitenden Erfolg des Sehtrainings gleichzeitig Probleme beim Sehen mit der Brille auftreten würden (jedenfalls mit den alten starken Brillen). Diese erwarteten Probleme traten dann aber jahrelang nicht auf, sondern meine Sehleistungen mit und ohne Brille besserte sich und ich konnte sogar problemloser als früher zwischen sehr verschiedenen Brillen wechseln.

Nun aber, in einem weit fortgeschrittenen Trainingsstadium und nachdem ich mich an diese angenehme Möglichkeit des problemlosen Wechselns gewöhnt habe, tritt dieser erwartete Effekt doch auf und ich empfinde ein zunehmend unangenehmes Gefühl beim Tragen von Korrekturbrillen. Teilweise muss ich meine Augen ständig mühsam neu scharf stellen, teilweise ist es einfach ein Gefühl, dass ich die Augen irgendwie verkrampfen muss, um mit Brille scharf zu sehen. Erstaunlicherweise tritt dieses unangenehme Gefühl auch bei relativ schwachen Brillen auf. Manchmal erscheint es mir bei schwachen Brillen sogar stärker als bei starken Brillen (offenbar hängt es von der Tagesform ab, welche Brille ich gerade als besonders unangenehm empfinde).
Ebenso erstaunlich ist, dass ich weiterhin mit stärkeren Brillen meistens höhere Sehleistung erreiche. Mit meiner stärksten alten Brille erreiche ich manchmal wohl 150-200%, und das ist schon fast zu scharf (man erkennt dann nämlich z.B. am PC- oder TV-Bildschirm die einzelnen Bildpunkte). Aber auch hier gibt es kein eindeutiges System, denn es gibt Tage, an denen sehe ich mit der stärksten Brille schlechter als mit einer mittelstarken. Ich vermute, dass an sehr guten Tagen, also Tagen, an denen ich ohne Brille sehr gut sehe, die stärkste Brille zu stark ist.
Aber egal, wie die Zusammenhänge sein mögen: Es ist jedenfalls leider nicht so, dass man diese Probleme dadurch umgehen kann, dass man sich mit fortgeschrittenen Trainingsstadium einfach in gewissen Zeitabständen eine schwächere Brille besorgt. Dazu schwankt die Sehleistung zu stark.

Wer nur leicht zur allgemeinen Besserung trainiert und nicht den Ehrgeiz hat, seine Brille völlig loszuwerden, wird vermutlich nie mit diesen Problemen konfrontiert werden. Wer dagegen wirklich eine starke Brille wegtrainieren will, muss aber damit rechnen, in einem späten Trainingsstadium tatsächlich eine Phase zu erleben, wo das Sehen mit Brille zunehmend Probleme bereitet und das Sehen ohne Brille noch nicht immer problemlos ist.


11) Dioptrien und Visus
In dem Kapitel zur Messung der Sehschärfe habe ich den Unterschied zwischen Dioptrien (Brillenstärke, Faustregel: je höher der Wert desto schwächer die Augen) und Visus (Sehleistung, Faustregel: je höher der Wert, desto besser das Sehen) erklärt. Es tauchen nun aber immer wieder "Faustregeln" zur Umrechnung auf. Insbesondere wird gerne gesagt, 0,5 Dioptrien mehr/weniger bei der Brille würden die Sehschärfe um rund 50% vermindern.

Bezogen auf die menschlichen Sehverhältnisse ist dies so aber nicht richtig. Rechnen wir einmal nach: Ein Mensch hätte mit seiner Brille von z.B. -6 Dioptrien eine Sehleistung von 100%. Mit einer Brille von -5,5 Dioptrien hätte er nur noch 50%, mit -5 Dioptrien nur noch 25%, ... und bei -2 Dioptrien (also 4 Dioptrien Unterschied zur aktuellen Brille) wäre er unter 0,5% (Visus 0,005) angekommen (damit wäre er amtlich als blind eingestuft). Jeder, der etwas Erfahrung mit Brillen hat, weiß nun aber, dass eine um 4 Dioptrien veränderte Brille zwar einen sehr deutlichen Rückgang der Sehschärfe bedeutet, aber keinen Rückgang um 99,5%.
Oder anders herum: Ein praktisch Blinder wird durch eine um 4 Dioptrien stärkere Brille nicht zum Normalsichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass Prozentrechnung von unten her zu langsameren Zuwachs führt und man bei entsprechender Berechnung rund 7 Dioptrien brauchte, um von unter 0,5% Sehleistung auf 100% zu kommen. Sonst gäbe es nicht Menschen mit Brillenstärken von 20 und mehr Dioptrien. Und wäre es so einfach, dann brauchte man ja einfach immer nur die Brillenstärke erhöhen, und der Mensch würde immer schärfer sehen.

Kurz: Es gibt keine Formel um aus der Brillenstärke brauchbare Rückschlüsse auf die Sehleistung zu ziehen. Und anders herum auch nicht. Die Zusammenhänge um die menschliche Sehleistung sind einfach zu individuell.


12) Graudrucke zum Üben / Training bei geringer Helligkeit
Da beim Sehtraining Kontraste oft abgeschwächt erscheinen (Grauschleier, Nebel) kann es sinnvoll sein, manchmal an Übungstafeln mit schwächeren Kontrasten zu trainieren. Viele PC-Drucker haben eine Spar(Eco)Einstellung, bei der Toner gespart wird und die Ausdrucke deshalb mehr grau als schwarz erscheinen. Damit kann man sich solche kontrastschwache Übungstafeln drucken.

Ebenso kann es sinnvoll sein, ab und zu bei verringerter Helligkeit zu trainieren. Im einfachsten Falle erreicht man das dadurch, dass man die Arbeitslampe nicht direkt auf die Übungstafel oder die Lesevorlage richtet, sondern abwendet (z.B. auf die Zimmerdecke).


13) Sonnenbrillen können doch sinnvoll sein
Im Buch lehne ich Sonnenbrillen überwiegend ab, weil dadurch der Tiefenschärfeeffekt vermindert wird. Zudem besteht die Vermutung, dass die Augen bei übertriebenen Tragen einer Sonnenbrille (wenn es gerade nicht extrem hell ist) infolge zu großer Schonung zu verwöhnt und damit "negativ trainiert" werden.
Diese Beurteilung muss ich nun teilweise revidieren. Ich habe festgestellt, dass das zeitweise Tragen einer Sonnenbrille bei sehr großer Helligkeit und bei stressbedingten schlechten Sehen sogar auch bei nur normaler Helligkeit deutlich schärferes Sehen bewirken kann. Setzt man die Sonnenbrille nach einiger Zeit ab, dann bleibt dieses bessere Sehen sogar für einige Zeit erhalten. Die Ursache scheint mir darin zu liegen, dass die Lichtdämpfung durch die Sonnenbrille eine Art Entkrampfung der Augen bewirken kann, die das Sehen mehr verbessert als der Verlust an Tiefenschärfe es gleichzeitig verschlechtert.
Die vorübergehende Benutzung einer Sonnenbrille kann also in bestimmten Situationen eine sehr nützliche Entspannung des Sehapparates bewirken.


14) Training in Alltagsarbeit einbauen hat Grenzen
Nach einigen Jahren Training bemerkte ich, dass sich mein Sehfortschritt beim normalen Lesen im Nahbereich (z.B. Zeitungen oder Schriftstücke) relativ schlechter entwickelte als das Sehen auf mittlere und große Entfernungen. Dies war für mich als Kurzsichtigen eigentlich unlogisch.

Erklärung: Während ich zu Beginn meines Trainings ausgiebig reine Leseübungen als solche gemacht habe und damit auch schnelle Fortschritte erreichte, ging ich später dazu über, die Leseübungen zwecks Zeitersparnis in meine berufliche Lesearbeit zu integrieren. Dabei hatte ich übersehen, dass man beim Lesen als Arbeit unter dem Erfolgszwang steht, den Text zu verstehen. Dies bedeutet Stress, führt zu Verkrampfungen und konterkariert den Trainingserfolg. Sehen in die Ferne war für mich dagegen meist mit Freizeit und Entspannung verbunden und führte deshalb im Verlauf einiger Jahre zu einem relativ besseren Trainingserfolg bei Sehen in die Ferne als beim Nahsehen (Lesen).

Lehre aus dieser Geschichte: Man kann nicht alles Training immer zeitsparend in Alltagsarbeiten einbauen. Ein gewisser Teil des Trainings muss reines Training losgelöst von jeder Arbeit und damit von jedem Erfolgsdruck sein. Beim Lesetraining als Beispiel bedeutet dies, langsames, analytisches Umspielen der einzelnen Buchstaben und ihrer Details mit den Augen ohne jeden Versuch, den Text verstehen zu wollen. Auch mal 15 Minuten an einem einzigen Wort üben anstatt sich dem Druck auszusetzen, Zeile für Zeile abzurasen.


15) Lese- und Erkennungsübungen bei der Arbeit am Computer
Im Buch habe ich mehrfach erwähnt, dass Übungen am PC stressträchtiger und schwerer als Übungen beim Fernsehen oder mit gedruckten Übungsvorlagen sind. Dies gilt jedenfalls für alle, die ihren PC gefühlsmäßig mit Arbeit verbinden und nicht als reines Spielzeug sehen. Allerdings bietet auch der Computer Übungsmöglichkeiten. Besonders vorteilhaft ist dabei, dass sich die Darstellung am Bildschirm nahezu unbegrenzt verstellen lässt: Größe und Typ von Schriften, Farben (sogar getrennt nach Vordergrund und Hintergrund), Größe von Fotos oder Zeichnungen, das ganze Erscheinungsbild am Bildschirm inklusive der ständig benutzen "Arbeitsgeräte" wie z.B. Mauspfeil lassen sich fast beliebig einstellen. Hier einige Anregungen für Übungen:

Analytisches Betrachten des Mauspfeils. Umspielen Sie den Mauspfeil minutenlang in allen Details mit den Augen bis Sie ihn schärfer und kontrastreicher als je zuvor sehen. Wenn Sie den Mauspfeil ohne Brille anfangs überhaupt nicht finden, dann setzen Sie einfach kurz Ihre Brille auf, merken sich wo er ist, und anschließend werden Sie den ruhenden Pfeil auch ohne Brille erkennen. Und wenn Sie soweit sind, dass Sie den ruhenden Pfeil gut erkennen, dann üben Sie mit langsam oder schneller bewegten Pfeil, üben Sie vor farblich weniger günstigem Hintergrund oder vergrößern Sie den Sehabstand indem Sie ihren Sitz etwas zurückrücken. Oder spielen Sie ein "Mauspfeil-Such-Spiel": Schließen Sie die Augen, bewegen Sie die Maus heftig nach allen Richtungen, öffnen Sie die Augen wieder und suchen Sie den Mauspfeil auf dem Bildschirm.

Analytisches Betrachten und Leseübungen am Bildschirm. Hierzu kann man ein normales Textverarbeitungsprogramm nutzen und Schriftgrößen und -typen nach Bedarf einstellen. Ganz besonders schwer erkennbar ist der alte "DOS-Modus" mit diesen kleinen weißen Schriften auf schwarzem Hintergrund. Versuchen Sie anfangs nicht, ganze Texte zu erkennen. Üben Sie minutenlang an einem einzigen fetten, großen Buchstaben oder Zeichen. Denken Sie sich das Zeichen schwarz und schwärzer bis Sie es wirklich tiefschwarz und scharf sehen. Mit einem Textverarbeitungsprogramm können Sie übrigens nicht nur Buchstaben darstellen, sondern auch viele Symbole und einfache Bildchen; probieren Sie einmal Schriften wie "Wingdings", "Webdings", "Symbol".
Und falls Sie Probleme beim Erkennen der Zeichen auf der Tastatur haben, dann üben Sie nach dem gleichen Schema an den Tastenaufdrucken. Schwenken Sie für den Anfang ihre Arbeitsleuchte dicht über die Tasten. Später werden Sie die Zeichen dann auch bei geringerer Beleuchtung und größerer Entfernung erkennen können.

Einfache Spiele wie Minensucher. Auch hier ist die Darstellung oft in Größe, Form und Farbe vielfach verstellbar. Vermeiden Sie aber Stress durch Leistungsdruck. Spielen Sie deshalb nicht gegen die Zeit oder einen echten Gegner. Konzentrieren Sie sich allein auf korrektes Erkennen und handeln. Sie haben unendlich viel Zeit. Später können Sie derartige Spiele freilich auch gezielt als Stresstraining betreiben, um zu lernen, auch unter Zeitdruck entspannt zu bleiben und gut zu sehen.
Sehr nützlich zur Entspannung und für leichte Sehübungen können die z.B. als Bildschirmschoner erhältlichen Aquariumprogramme oder ähnliche Naturszenen sein (besonders wirkungsvoll zusammen mit entspannender Musik). Beginnen Sie mit einfachen Szenen. Also kein dichter Unterwasserurwald in dem massenhaft kleinste Fische Verstecken spielen. Eine offene, übersichtliche Szene mit 2 bis 3 großen, behäbigen Fischen ist der bessere Start.
Da sich PCs unter dem Schlagwort "Multimedia" in Zukunft vermutlich immer mehr in Richtung Universalgeräte entwickeln, die gleichzeitig alle Funktionen übernehmen, für die man früher getrennte TV-Geräte, Filmabspieler, Plattenspieler, Diaprojektoren usw. benötigte, ist anzunehmen, dass sich das Angebot an für das Sehtraining brauchbaren filmartigen Darstellungen in den nächsten Jahren enorm erweitern wird. Nicht zu vergessen die eigenen Fotos aus der Digitalkamera.


16) Berufliches Lesen am PC-Bildschirm
Bei der normalen Arbeit am PC sollten Sie vermeiden, sich mit schwer lesbaren Texten zu quälen. Die Zeit und Mühe kann man sinnvoller in die oben beschriebenen Übungen investieren.
Leider sind insbesondere manche Internetseiten echtes "Augengift" (winzige Schrift, exotische Schrifttypen, grelle Farben) und man muss sie trotzdem lesen. Kopieren Sie solche Texte einfach per Mausklick in ein Textverarbeitungsprogramm und lesen Sie den Text dort dann in großer, einfacher Schrift schwarz auf weiß. Benutzen Sie für diesen Zweck kein "komfortables" Programm. Das würde den Text vermutlich in der (schwer lesbaren) Originalversion wiedergeben. Ein primitiver "Editor" dagegen kann nur Normalschrift und vereinfacht deshalb von sich aus "exotische Schriftgestaltungen" in eine gut lesbare Version. Bei Bedarf können Sie die Schriftgöße dor tbesonders groß einstellen.


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